Folge 12 – Sina Trinkwalder von manomama und BRICHBAG über Menschlichkeit als Unternehmensziel

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Podcast: Transforming Organisations for Humanity – Folge #12

„Für mich stellt sich nicht die Frage, wie gestalten wir die Zusammenarbeit von Arbeit und Privatleben? Work-Life-Balance. Sondern wie gestalten wir die Gesellschaft in einem Zeitalter nach der Erwerbstätigkeit?“

Heute bin ich in Augsburg zu Gast bei Sina Trinkwalder, Buchautorin, Gründerin und Geschäftsführerin des Unternehmens manomama GmbH. Du hast über 11 Jahre hinweg deine Werbeagentur groß gemacht und bist parallel kurze Schlenker durch die Studien Politikwissenschaften und BWL gegangen, um dann 2010 als Social Entrepreneurin neu durchzustarten und dich mit deinem Social Business manomama GmbH der Förderung von Menschen zu widmen. Du bist sozusagen die Vorzeigesozialunternehmerin Deutschlands und schreibst in deinen Büchern über deine persönliche Transformation in die Beweglichkeit, in Verantwortung und Socialentrepreneurship.

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Mehr Informationen zu Sinas Arbeit und ihren Unternehmen findest du hier:

https://www.manomama.de/

https://www.brichbag.de/

 

Liebe Sina, ich freue mich, dass wir heute hier zusammen sitzen und du Teil von Transforming Organisations bist.

Freut mich auch.

„Lass uns doch etwas machen, wo wir Menschen, die sonst jede Firma ablehnt eine Chance geben, ihren eigenen Erwerb zu erwirtschaften und damit wieder Teilhaben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen“. Eine schöne Beschreibung von dir dafür, welchen Purpose manomama verfolgt. Irgendwie klingt das ganz schön logisch und auch irgendwie ganz einfach. Was heißt das denn praktisch, wenn ein Unternehmen nicht dem Profit dient, sondern der Menschlichkeit? Wie setzt man sowas überhaupt um?

Einfach machen. Also das ist ja immer die Frage, was für ein Ziel du mit deinem Unternehmen verfolgst. Und ich habe mich, wie du vorhin erzählt hast, irgendwann entschlossen mit meinen Unternehmen, die ich ab 2010 gründete, das ist ja nicht nur die manomama, jetzt kam die BRICHBAG dazu, diene ich den Menschen. Und nicht mehr der Wirtschaft. Weil letzten Endes ist es ja nichts anderes, als dass die Wirtschaft gemacht wird von Menschen.

Und ob Wirtschaft gut oder schlecht ist, hängt schlichtweg von denen ab, die sie machen. Und so habe ich mich entscheiden, meine eigenen Ziele zu setzen und zu sagen, für mich ist wichtig, dass ich eine Gewinnmaximierung vorantreibe, aber die der Menschlichkeit und nicht mehr die des Monetären. Und wie setzt man das um? Indem man sich genau dieses Ziel setzt und dann jede Entscheidung, jede strategische Idee darauf hin abstimmt und sagt ok, dient das eher dem viel Geld zu machen oder dem, dass Menschen wieder besser behandelt werden, wieder wahrgenommen werden und wertgeschätzt werden. Das ist eigentlich ganz einfach.

Ja liest man deine Texte und lauscht deinen Aussagen, dann klingt es manchmal so, als würde tatsächlich in jedem von uns potenziell ein Sozialunternehmer stecken oder als wäre das zumindest die Empfehlung als sollten wir die Verantwortung für unser ökonomisches Handeln übernehmen. Was hast du denn persönlich für dich überwunden, um diesen Schritt zu gehen? Und um es sozusagen zu wagen, verantwortungsvoller mit dir selbst und der Gesellschaft umzugehen?

Also ich glaube nicht… Moment, ich muss erstmal einhaken. Du hast gesagt, wenn man meine Texte oder meine Aussagen liest, dann würde es so herausklingen, dass in jedem von uns ein Sozialunternehmer steckt. Nein. Ich könnte mich nicht erinnern, dass ich das jemals gesagt hätte. Sozial? Ja. Jeder Mensch ist ein soziales Wesen, da glaube ich ganz ganz fest dran, auch wenn sich manche sehr arschloch-mäßig aufführen, aber im tiefsten inneren Kern ist er trotzdem sozial. Das muss man dann erst noch freilegen.

Aber wahrlich ist nicht jeder Mensch ein Unternehmer. Wirklich wahrlich nicht. Weil wenn jeder Mensch ein Unternehmer wäre, würde die Wirtschaft heute ganz anders aussehen. Im Guten, wie im Schlechten wiederum. Also es gibt ja sehr viele Menschen, die einfach überhaupt kein unternehmerisches Talent haben, aber meinen, sie müssten unbedingt gründen und sie haut es zum siebten Mal auf die Schnauze, weil sie einfach nicht anerkennen, dass ihre Stärke nicht im Unternehmensführen und Unternehmensgründen liegt.

Gleichzeitig gibt es Menschen, die in einem festen Angestelltenverhältnis sind, die so derart gut unternehmerisch handeln, wo man sich denkt, Herr Gott, was machst du hinter dem Schreibtisch? Geh raus, mach deine Firma, du hast das Zeug dafür. Die haben aber die Eier nicht dafür. Also von dem her ist es echt schwierig.

Was meine Person betrifft, musste ich eigentlich überhaupt nichts überwinden. Sondern ich war schon immer sehr interessiert, nicht alleine etwas hoch zu ziehen, sondern im Team und nicht zu meinem eigenen Vorteil, weil mich das nicht motiviert. Das bringt mir nichts. Mir geht es so oder so gut, also ich muss nicht noch mehr haben oder noch mehr sein, sondern mir geht es darum, dass wir in einer Gesellschaft leben, wo ich mich auch wohlfühle. Und das muss eine Gesellschaft sein, wo es allen Menschen gut geht. Es darf ihnen unterschiedlich gut gehen, aber es darf eben keinem Menschen schlecht gehen. Das ist letzten Endes der Punkt gewesen und ist jeden Tag auch der Punkt, wo ich aufstehe und sage, genau daran arbeiten, dass es allen Menschen gut geht. Gerne unterschiedlich gut, aber keinem schlecht.

Und das habe ich damals in der Werbeagentur auch schon gemacht. Ich habe die wirklich schwierigsten Auszubildenden ausgebildet, die kein Mensch nehmen wollte. Halbwaise, die autistische Grundzüge haben, straffällige, die vier Jahre im Knast waren, mit 18 schon vier Jahre im Knast. Ja, das musst du erstmal hinkriegen oder dreieinhalb, um akkurat zu sein. Und ich hab sie alle zu Schwabens besten Auszubildenden ausgebildet. Weil ich eben daran glaube, dass jeder Mensch sozial ist. Er braucht einfach nur das richtige Umfeld für seine perfekten Startchancen. Von dem her, dass manomama den reinen Zweck der Menschlichkeit bekommen hat, das ist nur die logische Konsequenz geworden aus der gesamten unternehmerischen Tätigkeit.

Da möchte ich einhaken bei einer Sache, die du gerade gesagt hast. Und zwar, ist dann das Ziel, dass es jedem Menschen gut geht, was etwas sehr Individuelles ist, das ist ja oftmals auch eine große Herausforderung, dieses individuelle Maß zu finden. Also, wenn man jetzt in der Mitarbeiterführung als Aufgabenbereich bleibt. Was würdest du da für einen Tipp verteilen, oder was kannst du da als Erfahrung teilen? Wie finde ich das richtige Maß, um die Mitarbeiter so zu führen, dass es ihnen auch tatsächlich gut geht oder wie schaffe ich diesen Rahmen dafür?

Also Tipps kriegt von mir nie jemand, weil ich finde jeder Tipp ist eine Bevormundung. Jeder muss seinen eigenen Weg finden und seine eigene Art und überhaupt für sich herausfinden, ist er eine Führungskraft oder nicht? Wobei er selbst kann das gar nicht herausfinden, sondern sein Team wird es ihm sagen. Also das ist diese Top-Down-Button-Up Geschichte. Natürlich habe ich die Möglichkeit, Menschen einen Leader vor die Schnauze zu knallen, aber er wird es halt nie werden.

Auf der anderen Seite, wie auch hier beispielsweise bei manomama, gibt es Menschen, die aus dem Team heraus sich über die Maße engagieren, großes Talent haben in Menschen- und Mitarbeiterführung, die automatisch zu Führern geworden sind. Das ist eine andere Geschichte.

Moment, wo waren wir?

Wir waren bei der Frage, wie man dann erkennt, was eigentlich jedes individuelle Teammitglied braucht?

Ach so… Du hast völlig Recht, zu sagen, dass „Das ist gut!“ eine sehr individuelle und subjektive Einschätzung ist. Den Einen, jetzt mal ganz plakativ numerisch gesprochen, gibst du 50 Euro, für die sind 50 Euro die Welt. Für die Anderen sind 50 Euro nicht mal bückenswert. Um es einfach monetär mal einzugrenzen.

Worum es mir geht ist, dass wir ein Wertegerüst in unserer Gesellschaft haben. Und wir haben ein grundlegendes Bild, wie man, nennen wir es mal ordentlich, leben kann. Dass du nicht auf jeden Cent guckst, dass du wertgeschätzt wirst, dass du Teil einer Gesellschaft bist. Das ist für mich die Definition für „Es geht jemandem gut.“ Er muss kein Hunger leiden, er hat ein Dach über dem Kopf, er kommt an die Gesundheitssysteme ran, und zwar dann, wenn er sie braucht und nicht dann, wenn er sie nicht braucht. Er hat Zutritt und Zugang zu kulturellen Organisationen und Kunst, weil eine Gesellschaft ohne Kunst und Kultur ist eine tote Gesellschaft. Wir sehen das hier zunehmend, weil Kunst und Kultur immer mehr in den Hintergrund tritt. Auch, weil die Menschen desinteressiert sind. „Urgh! Geh mir weiter mit Faust, das interessiert mich nicht.“

Ja, das sollte dich aber interessieren, weil das tut deinem Gehirn gut und deinem Herz. Ja, also nicht nur konsumieren. Und da ist es die Aufgabe, meines Erachtens von Führungskräften zu gucken, dass wir innerbetrieblich zusehen, dass wir einen größtmöglichen Nenner innerhalb des Unternehmens finden. Zu sagen „Wann ist die Situation gut?“. Das hat nichts mit individuellem Gutsein zu tun, sondern einfach mit kollektivem Gutsein. Das geht genauso bei uns hier auch.

Wenn ich jeden individuellen, freiheitlichen Wunsch jedes einzelnen Kollegens bei mir stattgebe, dann habe ich da ein Sauhaufen. Und zwar einen maximalen Sauhaufen, weil das der blanke ausgelebte Egoismus ist. Gemeinschaft heißt aber auch, mal einen Kompromiss zu machen und auf den Nebenmann zu hören. Und wenn jemand mit 45, der keine Kinder hat, meint, er müsse unbedingt in der Urlaubszeit dann Urlaub nehmen, wen die andere Kollegin mit drei kleinen Kindern auch mal eine Woche verschnaufen könnte, weil die Ferien haben, dann muss ich das freiheitliche Recht der Älteren in dem Falle beschränken und sagen „Es tut mir leid, aber jetzt gebe ich derjenigen den Vorzug, die einfach ein Umfeld hat, wo es anders gar nicht möglich ist. Sonst kriegt die gar keinen Urlaub mehr“.

Also es geht hier um Freiheit, es geht hier um Gemeinsinn. Und dann kann man gut leben. Du kannst allein als Individuum nicht gut leben. Mit wem willst du es denn teilen? Das macht ja keinen Spaß, wenn du fünf Rolex an der Hand hast, aber du hast niemanden, der dir die Anerkennung dafür gibt. Das macht keine Freude, Zeit für eine Tasse Kaffee zu haben, wenn du sie alleine saufen musst. Also geht es immer darum, sich auch selbst ein bisschen zurück zu nehmen und die, die es aus eigener Kraft nicht können, die brauchen dann auch die Führung, denen du dann mit sanften Samthandschuhen sagst „Pass auf. Schau mal. Das ist der Rahmen. In dem bewegen wir uns und Ende.“

Das ist wirklich ein ganz großer Unterschied. Das ist auch ein großes Fehlverständnis von Menschen, die sagen „Naja, also da durfte ich jetzt mal das und das nicht…“ und sehen dann diese individuelle freiheitliche Einschränkung sofort als persönlichen Affront, weil sie eben nur an sich selbst denken, weil wir eine Gesellschaft voller Hedonisten und Opportunisten sind. So funktioniert aber Gemeinschaft nicht.

Das heißt dann, die Aufgabe ist tatsächlich, also das leite ich jetzt mal so ab, aus dem was du sagst du kannst auch gerne ein Veto einlegen, die Herausforderung besteht dann auch tatsächlich größtenteils darin, das Team oder die Mitarbeiter oder die Kollegen ohne jetzt in Hierarchie sprechen zu wollen, die Menschen um uns herum mit zu nehmen, indem wir beteiligt werden und eine gemeinschaftliche Vision auch entwickeln für das, was der Prozess ist. Und das heißt dann, dass ich vielleicht mal meinen Urlaub eine Woche verschiebe zugunsten der Kollegin, um beim Beispiel zu bleiben.

Ja, ein klares Ja. Dass wir Gemeinschaft leben. Weil nur dann macht es mir auch Spaß als Individuum in einer Gemeinschaft zu leben. Es gibt gerade, wenn wir das auf das unternehmerische Handeln beziehen, gibt es aber auch doch Situationen, wo ich sage es jetzt mal bayerisch, ich einen Hut aufhaben muss.

Wunderbares Beispiel ist, ich habe mir da bei manomama sehr lange überlegt, ob ich nicht eine Genossenschaft daraus mache. Aus dem schlichtweg einfachem Grund noch mehr Partizipation, nicht nur maximales Mitspracherecht, was ja meine Ladys und meine Gentlemen alle hier haben, sondern darüber hinaus auch noch eine unternehmerische Verantwortung über die Beteiligung. Das würde völlig in die Hose gehen. Das würde absolut maximal in die Hose gehen. Aus dem einfachen Grund: Ich habe entschieden, dass manomama der ökologischste Hersteller wird für Textilien. Das heißt beispielsweise, dass wir einen Nähfaden aus dem Schwäbischen benutzen aus Biobaumwolle. Das ist meine Entscheidung, weil ich dieses Ziel gesetzt habe.

So, und was würde passieren, wenn wir genossenschaftlich wären? Dieser Nähfaden, von einem Familienunternehmen, hundert Kilometer weit entfernt wird morgen sofort abgeschafft. Würde ersetzt werden durch irgendeinen chinesischen Billig-Scheiß. Warum? Weil meine Ladies viel lieber mit Plastik arbeiten würden, weil der Faden dann nicht so oft reißt. Das regt immer so auf, die Nähmaschine einzufädeln. Merkt ja keiner. Ist ja nur der Faden. Der ist viel billiger. Da bleibt uns noch viel mehr. Ach, die Familie da hundert Kilometer entfernt? Ja gut, dann hat die halt Pech.

So lange wir so opportunistisch und hedonistisch sind, funktioniert auch Genossenschaft in der Form nicht. In einer Genossenschaft und einer Gemeinschaft, die fair und lebenswert ist, brauchen wir Altruismus. Und den müssen wir erst wieder lernen. Und den können wir nur von den Menschen lernen, die ihn wiederentdeckt haben oder ich traue mich bei mir sogar zu behaupten, immer schon hatten. Den man einfach in sich trägt. Mir hat der August Oetker letztens gesagt, der Inhaber der Pizzafirma: „Wissen sie Frau Trinkweiler, das ist ja alles schön und gut, aber altruistische Unternehmer haben bei uns keinen Platz“. Ja, das ist aber dann einfach nicht meine Wirtschaft und nicht meine Welt. Dann mache ich mir meine eigene Wirtschaft, wo genau diese Unternehmer Platz haben.

Wenn du jetzt noch eine Sache einführen könntest, die das Miteinander, die persönliche Entfaltung und Verwirklichung so generell von Menschen in Unternehmen mehr fördert, also generell diese Bedingungen mehr unterstützt, was würdest du tun, wenn es keine Grenzen gäbe? Du generell alle Knöpfe drücken könntest.

Zeitdruck abschaffen. Maximalen Leistungsdruck und Zeitdruck abschaffen.

Wobei man da auch wiederum sehr kontrolliert damit umgehen muss, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass gerade Menschen, die vielleicht nicht diese Motivation verfügen, mit ihrer Zeit etwas Gutes zu tun. Ich sag nicht mal sinnvoll, weil sinnvoll ist ja sehr individuell.

Ich bin vor ein paar Monaten einen hundert Kilometer Lauf gelaufen, das habe ich für total sinnvoll erachtet, das magst du vielleicht für völlig bescheuert erachten. Der Punkt ist einfach: Da fängt es schon wieder an, sehr individuell zu werden.

Und es gibt sehr viele Menschen, die eine gewisse Rahmenbedingung benötigen, oder einen Zeitrahmen oder ein Ziel, damit sie sich an irgendetwas orientieren können, weil sie diese Struktur nicht für sich selbst haben können. Du siehst es ja auch wunderbar bei gerade jüngeren Menschen heutzutage, die lottern ja rum, das ist ja unglaublich. Die haben tausend Pläne, mein guter Rat, Klartext, mein roter Faden, gelber Plan, weiß der Geier was. Die sind damit mehr beschäftigt, ihr Nichtstun zu dokumentieren und zu strukturieren, als das sie sich endlich mal aufmachen und was machen.

Was glaubst du denn, woran das liegt? Also diese Entwicklung.

Generationenfrage, ganz klar. Das ist genau das, was ich gerade gesagt habe. Und zwar, dass die maximale Freiheit, dieses „Probiere dich aus“, „Teste dich aus“, „Tu, was du willst. Du findest dich schon“. Nein. Du endest in desaströser Orientierungslosigkeit.

Früher war das so: Dein Opa war Schuster, dein Papa war Schuster. Wieso solltest du etwas Anderes machen? Das ist so das andere Extrembeispiel. Heute: „Mach was du willst. Tu was du willst. Studiere 34 Semester. Mach noch ein bisschen, was weiß ich? Volunteer da…“. Dann bist du 40 und denkst dir „Scheiße, jetzt ist die hälfte meines Lebens vorbei und was habe ich jetzt erlebt? Was habe ich jetzt gemacht?“

Und das fördert natürlich diese Orientierungslosigkeit, weil sich die Richtung bei vielen enorm ändert. Und weil sie natürlich, das sieht man auch, teilweise schon sehr diese Millennials verpempert werden. Klar, wir brauchen sie, weil es gibt so wenige von ihnen. Es sind geburtenschwache Jahrgänge. Deswegen pempert man sie noch mehr. Bei mir wird hier in diesem Unternehmen kein Millenial gepempert.

Wenn da keine Leistungsbereitschaft, ja es geht um die Bereitschaft, zeigt und den ganzen Tag rumdaddelt, dann kann ich ihn mir nicht leisten. Weil ich keine Lust habe, dass meine Ladys und meine Gentlemen tagtäglich mit Taschen draufhauen um hier Selbstfindungskurse zu finanzieren. Das funktioniert so nicht. So funktioniert Wirtschaft nicht und Gesellschaft auch nicht. Das die Alten die Jüngeren mittragen. Das muss umgekehrt sein.

Was ist denn eigentlich deine Vision für die Zukunft? Für Leben und arbeiten in der Zukunft?

Also wenn wir jetzt so ein paar Jahre nach vorne schauen, so 2030?

2030 ist zu kurz. 2030 wird sich noch nicht sehr viel geändert haben.

Wo willst du denn hinschauen?

Ich möchte es gar nicht an der Zahl festmachen. Ich mach mir da ja seid zwei Jahren eklatante Gedanken, weil man muss es ja mal so sehne: Auch das, was ich mit manomama mache, ist ja nichts anderes als Pflaster auf ein Symptom pappen.

Weil wir, da glaube ich ganz fest dran und ich bin mir eigentlich sicher, dass wir nicht mehr genügend Erwerbstätigkeit haben werden in absehbarer Zeit. Durch Industrialisierung, durch Roboter, durch Digitalisierung, durch weiß der Geier was. Ich habe vor kurzem zu einem Freund von mir gesagt, das war kurz vor der Wahl, wenn ich Politiker wäre, wäre ich glaube ich ehrlich zu den Menschen und würde sagen: „Passt auf! Wir diskutieren hier jetzt nicht über Diesel. Wir diskutieren nicht über nochmal 5 Cent Mindestlohn. Wir diskutieren über den ganzen Scheiß nicht, sondern wir müssen die zentrale Kernfrage uns fragen und diese auch gestalten, in welcher Gesellschaft wollen wir künftig leben? Weil das ist das Ende der Leistungsgesellschaft. Die Leistungsgesellschaft gründete ja darauf, dass Menschen leisten, um eine Wirtschaft zu gestalten. Das machen künftig Roboter. Durch die Digitalisierung, durch Blockchain, durch weiß der Geier was für tausend Buzzwords werden Millionen von Arbeitsplätzne wegfallen.

Aber eben nicht mehr nur die, die einst meine Ladys betroffen haben, also die Arbeitergesellschaft, das Proletariat. Das ist schon alles erledigt. Das geht alles in Billiglohnländer. Sondern jetzt trifft es die Wissensgesellschaft. Uns brillante Hirne trifft es jetzt. Du brauchst keinen Steuerberater mehr. Du brauchst noch nicht einmal mehr einen Anwalt. Das geht über Algorithmus, Blockchain, Tralalala, über weiß der Geier was.

Also, wir machen auch diese gebildeten Köpfe arbeitslos oder erwerbsuntätig. Und dann wird es sehr gefährlich, weil mit dieser vielen Freizeit die Menschen gar nicht wissen, was sie anfangen sollen.

Es gibt immer ein schönes Beispiel, wenn Manager beispielsweise in Frühruhestand gehen, das machen sie ganz gerne, weil sie dann mehr Bezüge bekommen. Dann haben die den ersten Tag ihrer Pseudorente und nach vier Wochen sind die krank. Die sind einfach krank, weil die nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Die sind es nicht gewohnt, in Beeten Unkraut zu jäten. Und genau dieses Problem müssen wir lösen. Für mich stellt sich nicht die Frage, wie gestalten wir die Zusammenarbeit von Arbeit und Privatleben? Work-Life-Balance. Sondern wie gestalten wir die Gesellschaft in einem Zeitalter nach der Erwerbstätigkeit?

Absolut. Das ist ja auch eine zentrale Frage, die uns interessiert, denn letztendlich stimmt das. Durch die Digitalisierung fallen komplette Branchen weg, und es wird immer mehr. Das heißt wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen, welche Rolle spielt eigentlich der Mensch in der Zukunft in der Gesellschaft? Und wie wollen wir uns als Mensch zeitlich beschäftigen, also was wollen wir tun?

Nicht nur welche Rolle spielt der Mensch, sondern ich gehe viel weiter. Ich habe dir ja erzählt, dass ich da seit zwei Jahren an einem Fiktionsroman arbeite, weil es mich auch teilweise sehr beschäftigt. Die Frage lautet nicht, welche Rolle spielt der Mensch? Sondern wollen wir, dass nur noch ein minimal geringer Prozentsatz der Menschen eine Rolle spielt?

Und zwar werden die Menschen eine Rolle spielen, die entweder, im Schwäbischen sagt man „Gnäpfle“, also die über die Maße intelligent sind was Hightech betrifft. So diese Algorithmenscheißer, wo wir intellektuell längst aussteigen, weil wir keine Ahnung haben, was die da machen.

Und es werden die Menschen eine große Rolle spiele, die etwas mit ihren Stärken besser können, als zu der jeweiligen Zeit ein Roboter. Ein schönes Beispiel ist der Leistungssport. Wir sind mittlerweile bei 300/400 Millionen bei irgend so einem Menschen, der einen Ball ins Eckige tritt, weil er das halt über die Maße gut kann. Kasparow, der Schachweltmeister hat sehr sehr viel Geld verdient, bis er zum ersten Mal gegen einen Computer verloren hat. Seitdem ist Schach erledigt. Und genau darum geht es. Schauspieler verdienen bei weitem nicht mehr das, was sie vor zehn Jahren verdient haben. Weil die 3D Visualisierung, die Animierung mittlerweile so gut ist, dass du keine Schauspieler mehr brauchst.

Und wie wäre deine Vision im positiven Sinne? Wie sollte sich das entwickeln?

Wie wäre deine Wunschvorstellung?

Super, ich schreib da 400 Seiten und das möchten wir jetzt mal schnell auf 5 Minuten zusammendampfen. Die Vision ist eine… wie nenne ich das? Die Vision ist die Verabschiedung der Leistungsgesellschaft absolut.

Ich glaube, wir werden etwas von unserer unkontrollierten individuellen Freiheit abgeben müssen. Ich glaube, wir werden erstmal beginnen müssen, Solidarität wieder lernen zu müssen, weil wir das nicht haben.

Wir haben nur „Ich helfe dir, wenn es mir etwas nützt, aber nicht aus freien Stücken“. Also wir kommen wieder zu dem Altruismus. Und dann wird es hoffentlich von selber funktionieren. Die Problematik in unserer Gesellschaft und in unserer Wirtschaft ist auch nicht, dass wir zu wenig haben, sondern wir haben die Dinge an falschen Orten. Wir müssen Ressourcen intelligent zusammenbringen. Und wenn wir diese ganzen Hürden alle geschafft haben, dann werden wir auch richtig gut leben, aber völlig anders als wir heute leben.

Mit einer neuen Dimension von sozialer Intelligenz?

Nein, keine neue Dimension. Wir brauchen keine neue Dimension. Es wäre doch schön, wenn wir sie erstmal wiederentdecken.

Das ist genauso wie, ich finde es immer toll, wenn ich zu irgendwelchen Querdenkerevents eingeladen werde, die ich dann absage und sage „Leute, fangt erstmal wieder an zu denken, dann seid ihr genug beschäftigt“.

Sehr gut. Dann komme ich mal zur letzten Frage. Was sind den deine drei wichtigsten Hashtags?

Meine drei wichtigsten Hashtags? Ich habe nur… also erstmal ein Tweet „Guten Morgen. Erstmal Kaffee“. Das ist einfach ein Tweet, der wichtig ist. Dann ist #Obdachistneonorange, das ist momentan mein wichtigster Hashtag, weil das mein aktuelles wirklich großes Herzensprojekt ist, Obdachlosenengagement. Und ansonsten bin ich nicht so für Hashtags. Ich bin eher so für Reallife.

Sina, ich bedanke mich für die tollen Einblicke und für deine Zeit.

Gerne. Jetzt trinken wir noch einen Kaffee!

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